Die Baukosten mit einer zuvor geschätzten Summe von 7,6 Mio. Euro sind um mehr als 600.000 Euro unterschritten worden.
Betrat man bisher den Schlosspark im Bochumer Stadtteil Weitmar über das eiserne Eingangstor von der Hattinger Straße, wies die Wege- und Sichtbeziehung über eine weiträumige Grünfläche hinweg den Besucher unwillkürlich zur Ruine mit dem im Jahr 2010 für die Kulturhauptstadt eingestellten Glaskubus. Seit September dieses Jahres wird dieser, dem Besucher durch die bestehende räumliche Grundordnung vorgegebener Blick durch eine Neuordnung der Freifläche vor der Ruine ergänzt. Die strenge, seit über Jahrhunderte vorhandene Sichtbeziehung wird abgelenkt durch ein vor der Ruine angelegtes ca. 25 x 75 m großes anthrazitfarbenes Rechteck, scheinbar gefasst durch drei kleine, auf den Ecken angeordneten Quadern und einem aus der Raumgeometrie des anthrazitfarbenen Rechtecks herausgesetzten Rauminstallation aus Stahl und Grün durch den Bildhauer Prof. Erich Reusch. Die neu angelegte, nunmehr leicht abgeknickte Wegführung sowie fünf
unterschiedlich hohe und farbige, scheinbar auf der Fläche tanzenden Säulen lösen die strenge Achsenbeziehung auf, ohne jedoch in eine unnötige Konkurrenz zur Ruine zu treten.
Das neue Raumkonzept bildet die oberirdische Verortung eines tief in die Erde eingegrabenen Gebäudes. Es ist in den historisch gewachsenen Schlosspark mit seinen teilweise Jahrhunderte alten Bäumen eingepflanzt, unter der Vorgabe sich über eine klare zurückhaltende Architektursprache an die vorhandenen Gebäude im Park anzulehnen und die bestehende Parklandschaft in Ihrem räumlichen Zusammenhang zu erhalten.
Hier ist vom „Museum unter Tage“ – kurz MuT – die Rede. Schon der Name erinnert an die vom Bergbau geprägte Kulturgeschichte des Ruhrgebietes. Das Museum stellt die letzte Ausbaustufe der Situation Kunst dar und wird die Ausstellung „Weltsichten“, Landschaft in der Kunst seit dem 15. Jahrhundert aufnehmen.
Die Sammlung wird ausgewählte Werke zur Landschaftsbetrachtung in der Kunst im Wandel der Jahrhunderte zeigen. Die Kunstwerke von der klassischen Malerei bis hin zur raumfüllenden Video-Sound-Installation finden auf ca. 1.350 m² Ausstellungsfläche ihren Platz. In einer von Bochum ausgehenden Ausstellungsreihe wurde diese Sammlung bereits in mehreren deutschen und internationalen Museen (darunter Kiel, Wiesbaden, Chemnitz, Cottbus, Maastricht) gezeigt. Sie finden ihre Heimat in dem neuen Museum als dritten und letzten Bauabschnitt der Stiftung Situation Kunst, das gleichzeitig der Ruhr-Universität Bochum zum 50-jährigen Bestehen als Lehrsammlung auf Dauer zur Verfügung gestellt wird.
Besonderen Wert wurde auf die oberirdische, sichtbare Gestaltung gelegt. Den Auftakt zu dem Ensemble bilden die eingangs beschriebenen fünf „Reusch Säulen“. Ein Erkennungsmerkmal Prof. Reuschs, einer der bedeutendsten deutschen Bildhauers der Gegenwart, dessen Stahl- und Eisenskulpturen mit neu gebauter Architektur im öffentlichen Raum korrespondieren und den prinzipiell unbegrenzten Raum strukturieren, die Blickachsen sozusagen neu definieren.
Die das Museum in seinen Ausmaßen oberirdisch sichtbar markierenden Kuben aus anthrazitfarbenem Mendiger Eifelbasalt sind aus ihrer Funktion heraus entwickelt, nehmen die Formensprache der bestehenden Museumsarchitektur auf und ordnen sich der vorhanden Landschaft und der Ruine mit dem Kubus unter.
Der durch die geschlossene Form und Anthrazite Farbwahl der Quader vom Besucher vermeintlich erwartete Abstieg in das Dunkel der Unterwelt wird gleich beim Eintritt durch die blechbekleidete überhöhte Zugangstür im Eingangskubus auf den Kopf gestellt. Hier erwartet ihn ein lichtdurchfluteter Treppenraum, das ihn in das tiefgelegene Museumsfoyer führt, bevor er die ausschließlich über Kunstlicht beleuchteten Ausstellungsräume, betritt. Ab hier wird die Außenwelt ausgeschlossen, hier soll einzig und allein die Konzentration auf die ausgestellten Kunstwerke ermöglicht werden. Auch die Architektur ordnet sich in ihrer minimalistischen Material- und Farbwahl, bei der die Töne Grau und Weiß dominieren, bewusst diesem Thema unter und unterstreicht eine wesentliche Aufgabenstellung der Ausstellung als Lehrsammlung des kunstgeschichtlichen Institutes für die Ruhr-Universität Bochum.
Das einzigartige Konzept, das gesamte Gebäude unterirdisch anzuordnen, ermöglicht aufgrund des Ausschlusses der jahreszeitlichen Temperaturen, das Gebäude ausschließlich über Geothermie zu beheizen und zu kühlen.
Der Bauauftakt zu diesem Projekt im Juni 2014 gestaltete sich unerwartet schwierig. Die im Bereich der 18.000 Kubikmeter großen Baugrube vermuteten historischen Überreste einer, dem ehemaligen Herrenhaus Haus Weitmar vorgelagerte Vorburg waren in ihren baulichen Ausmaßen deutlich größer als die zur Verfügung stehenden historischen Unterlagen vermuten ließen. Trotzdem gelang es einem erfahrenen Archäologenteam in zwei Monaten und rund 2.500 Arbeitsstunden die baubegleitende Ausgrabungen und die umfangreiche Dokumentation der im Boden
erhaltenen Überreste des Bodendenkmals durchzuführen und damit für die Nachwelt die für Bochum und das Ruhrgebiet entwicklungsgeschichtliche Epoche zu sichern, die durch den Bau des MuT freigelegt wurde.
Durch Umstellung der Baustellenlogistik, Änderung der Baugrubenausbildung, dem Einsatz von Großflächenschalung und Verlagerung der geplanten Geothermiebohrungen in die Baugrube, konnte der anfängliche Zeitverlust durch die archäologischen Maßnahmen kompensiert werden.
Im Mai 2014 wurde das Architekturbüro Vervoorts & Schindler Architekten BDA, Bochum mit der Realisierung des, vom Architekten und Stadtplaner Prof. Herbert Pfeiffer, Lüdinghausen, entwickelten Museumskonzeptes beauftragt.
Im Februar 2015 wurde der Rohbau des neuen Museums eingeweiht. Gemeinsam mit dem Bauherrn, Handwerkern und geladenen Gästen wie u.a. Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert, Vertretern der Stadt Bochum und der Universität wurde das Richtfest im Rohbau des neuen Foyers sieben Meter unter der Erde gefeiert.
16 Monate nach Planungsbeginn ist das Museum fertiggestellt. Mitte November ist die feierliche Eröffnung. Direkt im Anschluss öffnet es seine Türen für die Bürger und Bürgerinnen der Region und Kunstinteressierte aus aller Welt.
Die Baukosten mit einer zuvor geschätzten Summe von 7,6 Millionen Euro sind um mehr als 600.000 Euro unterschritten worden, was die sehr enge vertrauensvolle und gleichzeitig konstruktive und effiziente Zusammenarbeit des Bauherrn und seiner Architekten zeigt. Eine Zusammenarbeit die zukunftweisend für die Entwicklung derartiger Projekte werden kann, die von Bürgern maßgeblich initiiert und finanziell getragen werden.
Das Museum unter Tage wird, eingebettet in die bestehenden Bauabschnitte der Situation Kunst langfristig Bochum als lebendiger Kunststandort das Ruhrgebiet stärken und ihm überregionale Anziehungskraft verleihen.
Prof. Herbert Pfeiffer, Lüdinghausen
Vervoorts & Schindler Architekten BDA, Bochum
Gantert + Wiemeler Ingenieure, Münster
Zonzalla Ingenieure, Münster
Franke Ingenieure, Dortmund
Ingenieurbüro Hansen, Wuppertal
Erdbaulabor F. Krause, Münster
Kohlenstraße 70
44795 Bochum
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